Zum siebten Mal findet in diesem Jahr der Männernachtpilgerweg von Eschwege zum Hülfensberg statt, zu dem Pfarrer Dr. Manfred Gerland vom Kloster Germerode und Thomas Hellwig aus Niederorschel alle interessierten Männer einladen. Treffpunkt ist um am Gründonnerstag, den 13. April um 17:00 Uhr im Franziskushaus Döringsdorf und beginnt mit einem Gottesdienst und der Agapefeier auf dem Hülfensberg. Im Anschluss erfolgt die Fahrt nach Eschwege und zum Ausgangspunkt.
Der Pilgerweg führt in der Nacht zurück zum Hülfensberg (ca. 15 km). Von dort bringt ein Bus die Teilnehmer am Karfreitag, den 14. April um 7 Uhr wieder nach Eschwege zurück. Was die Teilnehmer auf diesem außergewöhnlichen Weg erwartet, beschreibt Pfr. Dr. Gerland aus der Erfahrungen der vergangenen Jahre folgendermaßen: Es ist Nacht. In die spärlich beleuchteten Marktkirche in Eschwege treten zögernd nach und nach Männer ein. Einige kennen sich. Sie sind unsicher. Etwa 30 Männer sind der Einladung zu einem Männernachtpilgerweg gefolgt. Es ist die Nacht von Gründonnerstag auf Karfreitag.
Der Weg steht unter dem Thema: „Den Alltag kreuzen“. In der Einladung heißt es, dass es um Themen geht, die Männer beschäftigen: Freundschaft und Verrat, Aggression und Hingabe, Macht und Ohnmacht, Schweiß und Blut etc. Die ersten nehmen in den hinteren Reihen Platz, neben sich einen Rucksack mit Verpflegung für die Nacht. Einige haben die Arme verschränkt, sie wirken unsicher. Keiner weiß so recht, was ihn erwartet. Der Leiter lädt ein zu einer Vorstellungsrunde, in der Erwartungen und Befürchtungen geäußert werden können.
„Wir sind jetzt Brüder für eine Nacht und wollen Jesus auf seinem Weg begleiten. Unser Ziel ist der ‚Gehülfe‘, ein 900 Jahre alter romanischer Kruxifixus am alten Wallfahrtsort ‚Hülfensberg‘, ca. 15 Kilometer von hier“ erläutert der Leiter diesen besonderen Pilgerweg. Die ersten Gesänge werden angestimmt: „Bleibet hier und wachet mit mir, wachet und betet“. Beim anschließenden Abendmahl stehen alle im Kreis um den Altar. Alle sind eingeladen. Gegen Mitternacht bricht die Gruppe auf. Die Nacht ist sehr mild. Zunächst geht es durch die noch erleuchteten Straßen, schon bald hat die Gruppe die Stadt hinter sich gelassen. Voran geht das Kreuz mit einer Dornenkrone aus Stacheldraht. Jeder, der möchte, darf es einmal tragen. Langsam gewöhnen sich die Augen an die Dunkelheit. Taschenlampen werden nur bei schwierigen Wegabschnitten kurz angeknipst. Mittlerweile ist die Gruppe in Schwebda angelangt. Die Männer betreten schweigend die Kirche. Jeder entzündet eine mitgebrachte Kerze und stellt sie vor sich. Eine Zeit der Stille in der nur von Kerzen erleuchteten Kirche beginnt. Dann liest einer aus der Passionsgeschichte nach Lukas (22,24ff): „Es erhob sich auch ein Streit unter ihnen, wer von ihnen als der Größte gelten sollte. Jesus aber sprach zu ihnen: … Der Größte unter euch soll sein wie der Jüngste und der Vornehmste wie ein Diener … Ihr aber seid’s, die ihr ausgeharrt habt bei mir in meinen Anfechtungen …“. Die Worte klingen in der Stille nach. Mancher mag über Konkurrenz und Machtgehabe unter Männern nachgedacht haben. Es wird jetzt nicht darüber geredet. Bald schon verlässt die Gruppe wieder die Kirche und geht durch die Dunkelheit der Nacht.
Auf einer großen Wiese am Waldrand wird ein Feuer angezündet. Die Männer lassen sich nieder und stärken sich aus dem Rucksack. Auf Wurst und Fleisch wird in dieser Nacht bewusst verzichtet, auch Alkohol ist jetzt tabu - so stand es auf der Einladung alle folgen der Anweisung.
Nun wird die Geschichte von Jesus im Garten Gethsemane vorgelesen. Die Männer verteilen sich auf der Wiese, jeder hat eine Kerze vor sich und denkt über die Worte nach, versucht sie mit eigenen Erfahrungen zu verknüpfen. Manche kämpfen gegen Müdigkeit und Schlaf, andere sind hellwach. Nach zwanzig Minuten kommen wieder alle am Feuer zusammen. Es folgt ein fiktives Gespräch mit Petrus: „Du bist Petrus, sie wollen dir auch an den Kragen, was antwortest du auf die Anklage der Frau ‚dieser gehört auch zu Jesus‘? Plötzlich ist die 2000 Jahre alte Geschichte von Verrat und Verlassenheit ganz aktuell. Die meisten schauen schweigend ins Feuer und hängen ihren Gedanken nach. Andere beginnen zaghaft ein Gespräch zu zweit oder zu dritt.
Es folgt ein längerer Schweigeweg. Die Männer werden aufgefordert, eng beieinander zu bleiben, um die Schritte der anderen zu hören und die gemeinsame Energie zu spüren. Seltsam – im Gehen wird man nicht müde. Es wachsen einem Kräfte zu, mit denen man nicht gerechnet hat. Nach einiger Zeit überquert die Gruppe die ehemalige innerdeutsche Grenze. Wer mag kann bei diesem Ort Verbindungen zu Tod und Auferstehung Jesu knüpfen. Alles wird so sinnfällig und beginnt zu sprechen. Worte des Mystikers Bernhard von Clairvaux kommen in den Sinn: „Glaub mir, denn ich habe es erfahren, du wirst mehr in den Wäldern finden, als in den Büchern; Bäume und Steine werden dich lehren, was du von keinem Lehrmeister hörst.“ Die Männer, die aus Ost und West kommen, haben ganz unterschiedliche Erfahrungen mit dieser Grenze gemacht. Man erzählt sich die persönlichen Grenzgeschichten. Dann stimmt jemand spontan das Lied an: „Nun danket alle Gott“.
In der Dorfkirche „Zum guten Hirten“ in Großtöpfer kehren die Pilger ein. In dieser Nacht sind die offenen Kirche nicht nur Orte des Gottesdienstes und Gebetes, sondern wirkliche Gasthäuser, die uns beherbergen und ausruhen lassen. Es ist mittlerweile 4.00 Uhr morgens und viele sind leicht erschöpft und übermüdet. Die meisten haben jetzt seit fast 24 Stunden nicht geschlafen. Nun geht es steil hinauf zum Hülfensberg, wo der „Gehülfe“ auf die Pilger wartet. Ein Kreuzweg wird gebetet. In sieben Sattionen wird das Schicksal Jesu auf seinem Weg nach Golgatha mit Leidenssituationen von Männern heute verknüpft. Dazu kann jeder symbolisch einen Stein aufnehmen, den er dann beim „Gehülfen“ niederlegt. Bruder Johannes begrüßt die Pilger auf dem Berg und nach der letzten Station in der Kirche zu Füßen des „Gehülfen“ ruhen sich die Teilnehmer bei einer Tasse Kaffee im Pilgersaal ein wenig aus bevor sie dann den Berg wieder herabsteigen, wo ein Bus auf sie wartet, der sie zurück zum Ausgangsort Eschwege bringt.
Für Interessierte bietet Thomas Hellwig an, im Anschluss an die Nacht im Franziskushaus zu bleiben und sich Karfreitag und Karsamstag FREIRAUM vom Alltag zu nehmen. Die Gruppe nimmt an der Liurgie der Franziskanerbrüder teil, geht in die Natur und führt ein einfaches Leben. Der Wegbegleiter ist der Hl. Franziskus. Der Höhepunkt ist die Feier der Osternacht am Sonntag in den frühen Morgenstunden. Mit Frühstück um 8:00 Uhr endet eine besondere Zeit, die Kraft für den Alltag gibt.
Wer an diesem einzigartigen Pilgerweg teilnehmen möchte, möge sich bitte anmelden bei:
Manfred Gerland: manfred.gerland@ekkw.de
oder
Thomas Hellwig: neue-muehle@gmx.de
Mitzubringen sind: Wetterfeste Kleidung, feste Schuhe, Rucksackverpflegung (keine Wurst), Getränke kein Alkohol), Kerze, Taschenlampe, Isomatte oder Sitzkissen, 7 € für Rücktransport mit dem Bus.